Über HAUKARI e.V. - Vereinsgeschichte
HAUKARI bedeutet in der kurdischen Sprache (Sorani) Solidarität / Zusammenarbeit.
Der Verein HAUKARI – Arbeitsgemeinschaft für Internationale Zusammenarbeit – wurde 1995 in Frankfurt/Main gegründet und ist ein gemeinnütziger Verein im Bereich der Völkerverständigung und Entwicklungszusammenarbeit.
Die Anfänge von Haukari e.V.
Kurdistan Irak 1991: Im Zuge der ersten US-geführten Militärintervention gegen das irakische Regime unter Saddam Hussein erlangt die kurdische Region eine provisorische Autonomie.
Vorausgegangen waren Jahrzehnte von Terror und Verfolgung kurdischer Autonomiebestrebungen im Irak, die 1988 in den Giftgasangriffen auf die Stadt Halabja mit 5000 Opfern und den Anfal-Operationen gipfelten, bei denen mehr als 100 000 Menschen verschleppt und ermordet und tausende kurdischer Dörfer zerstört wurden. Weite Teile der Region lagen in Trümmern; ca. 2 Millionen Menschen waren in den Iran und die Türkei geflohen. UN und internationale Organisationen unterstützten die Rückkehr der Geflüchteten und den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete. Die 1992 demokratisch gewählte erste Kurdische Regionalregierung wurde aber international nicht anerkannt. Für weitere 12 Jahre – bis zur zweiten US geführten Militärinvasion und dem Sturz des Baath- Regimes 2003 – lebten 5 Millionen Kurd*innen in einem politischen Provisorium und waren der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wiederaufbau durch Sanktionen und anhaltende Konflikte zwischen politischen Fraktionen und mit den Nachbarländern gehemmt.
Die späteren Gründungsmitglieder von HAUKARI e.V., Bernhard Winter, Karin Mlodoch und Jamal Ibrahim, hatten schon seit 1991 mit der deutschen Hilfsorganisationen medico international in ländlichen Wiederaufbauprojekten in der kurdischen Provinz Sulaimania gearbeitet.
Ab 1994 ging das Interesse und Engagement der internationalen Gemeinschaft für die Kurd*innen im Irak merklich zurück. HAUKARI wurde im November 1995 damals mit dem Ziel gegründet, unabhängig von tagespolitischer Aktualität eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zur Situation in Kurdistan-Irak zu leisten und vor Ort nach jahrzehntelanger Diktatur zivilgesellschaftliche Strukturen und soziale Initiativen zu unterstützen. Dabei konnte HAUKARI e.V. auf bereits bestehende Arbeitsstrukturen und -erfahrungen aufbauen und konzentrierte sich auf die an der iranischen Grenze gelegene Provinz Sulaimania im Osten der Region und Distrikte, die infrastrukturell abgeschnitten und unterversorgt waren. Hier arbeitete HAUKARI e.V. mit lokalen Partnerorganisationen zusammen und förderte Projekte in den Bereichen Frauenbildung, gesundheitliche Prävention und Unterstützung von Überlebenden politischer, sozialer und geschlechtsspezifischer Gewalt.
Das soziale und kulturelle Zentrum für Frauen und Mädchen - KHANZAD
Am 28.05.1996 eröffnete das von HAUKARI e.V. und einer Gruppe kurdischer Frauen gegründete „Soziale und kulturelle Zentrum KHANZAD für Frauen und Mädchen“ in Sulaimania unter Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit und in Anwesenheit des Ministers der Kurdischen Regionalregierung für Kultur und Religionsfragen seine Türen. KHANZAD war damals das erste parteiunabhängige und ausschließlich für Frauen geöffnete Bildungs- und Begegnungszentrum in Sulaimania.
Neben Fortbildungen (Alphabetisierung, Sprach-, Computer- und Werkkurse), Freizeitangeboten (Sport, Cafeteria), wurden Frauen rechtlich und sozial beraten und Veranstaltungen zu sozialen und politischen Themen durchgeführt. Es gab eine Cafeteria, eine Bibliothek, Kinderbetreuung und eine Frauenfahrschule. Innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Eröffnung gab es 1500 Voranmeldungen für Kurse!
Heute – 25 Jahre später – ist das Frauenzentrum KHANZAD eine wichtige Anlaufstelle für Frauen in Gewalt- und Krisensituationen und eine von Zivilgesellschaft und Regierungsstellen in der Kurdischen Region Irak und dem Irak anerkannte starke Stimme gegen Gewalt an Frauen und für Geschlechtergerechtigkeit.
Medizinische Beratung, Kurdistan Health Foundation (KHF)
Kurdistan Health Foundation (KHF)
Eine weitere Partnerorganisation aus den Gründungsjahren von HAUKARI e.V. ist die Kurdistan Health Foundation (KHF), eine Organisation kurdischer Gesundheitsarbeiter*innen, die vorwiegend im präventivmedizinischen Bereich und in der Basisversorgung in ländlichen Gebieten arbeitet. Zusammen entwickelten HAUKARI e.V. und KHF 1998/1999 ein Konzept zur medizinischen Grundversorgung von 250 kurdischen und turkmenischen Flüchtlingsfamilien in einem Camp nahe Chamchamal, die vom irakischen Regime aus der Erdölregion Kirkuk vertrieben wurden. Weitere
unterstützte Projekte waren die medizinische Grundversorgung und eine begleitende Studie über die Arbeitsbedingungen von Anfal überlebenden Frauen in einer Ziegelfabrik, medizinische Grundversorgung und Aufklärung in Dörfern ohne Gesundheitsposten in der Germian-Region und Nothilfe in Geflüchtetencamps.
Unterstützung von Anfal Überlebenden in der Germian Region
Auch HAUKARI e.V.’s Arbeit mit Überlebenden der Anfal-Operationen begann bereits in den 1990er Jahren mit der Unterstützung lokaler Selbsthilfekomitees und der Dokumentation von Zeitzeug*innen-Berichten. Seither hat HAUKARI e.V. nicht nur zahlreiche Projekte mit und für Anfal-Überlebende unterstützt, sondern auch intensive zur Situation Anfal-Überlebender geforscht und publiziert.
Seit 2009 fördert HAUKARI e.V. eine Initiative Anfal überlebender Frauen aus der Region Germian für eine selbst verwaltete und gestaltete Erinnerungs- und Begegnungsstätte, das Erinnerungsforum Anfal in Rizgary. Die in den Gründungsjahren von HAUKARI e.V. gesammelten Dokumente der Zeitzeug*innen sind ein wichtiger Beitrag darin.
Nach dem Sturz des Ba’ath-Regimes in 2003 weiterte HAUKARI e.V. seine Arbeit auf Gebiete außerhalb der kurdisch verwalteten Region aus. Schwerpunkte der Arbeit sind hier die Betreuung von Opfern politischer und sozialer Gewalt sowie die Unterstützung von Initiativen zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zum interethnischen und interreligiösen Dialog im Irak.
Friedenszentrum As-Salam, Tuz Khurmatu, Irak
Mit dem Friedenszentrum As-Salam eröffnete HAUKARI e.V. 2004 ein Zentrum für Opfer politischer und sozialer Gewalt in der Stadt Tuz Khurmatu in der zentralirakischen Provinz Salahaddin. Das Zentrum richtete sich an Überlebende von Gewalt aus arabischen, turkmenischen und kurdischen Bevölkerungsgruppen und zielte auf die Förderung des inter-ethnischen und interreligiösen Austauschs. In einer spannungsgeladenen Umgebung wurde mit Bildungs- und Beratungsangeboten versucht, Strategien gegen Gewalt zu entwickeln. Aufgrund des eskalierenden Sicherheitslage in Tuz Khurmatu musste das Zentrum 2006 schließen.
Staff Friedenszentrum As-Salam, Tuz Khurmatu, Irak
2020 - 25 Jahre HAUKARI e.V.
2020 jährte sich die Gründung von HAUKARI zum 25. Mal. In diesen 25 Jahren hat HAUKARI e.V. lokale Partner*innen durch viele herausfordernde Entwicklungen begleitet – vom Provisorium und den internen Konflikten in den 1990er Jahren über den Sturz des Baath-Regimes und die darauffolgenden von Aufbruch aber auch Terror und Instabilität geprägten Jahre, den Vormarsch der Terrormiliz IS bis hin zu den jüngsten Auswirkungen der Covid 19 Pandemie. Seit 25 Jahren unterstützt HAUKARI e.V. lokale Partnerorganisationen, Frauen, Überlebende von Gewalt und junge Menschen in ihrem Engagement gegen Gewalt, für Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit, für eine starke Zivilgesellschaft.
„Gesundheit ist der Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheiten und Gebrechen.
Den bestmöglichen Gesundheitszustand zu erlangen, ist Grundrecht eines jeden Menschen ohne Unterschied der Rasse, Religion, des politischen Bekenntnisses, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“
Die Weltgesundheitsorganisation
Mit diesen Auszügen aus der Satzung der WHO war unser 1. Rundbrief 1996 an Mitglieder und Freund*innen überschrieben und er hat in der aktuellen Pandemie nichts von seiner Aktualität verloren.
Heute gehört HAUKARI e.V. zu den Erstunterzeichner*innen des Aufrufs „Patente töten – Für die Aufhebung des Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente“, der von der BUKO-Pharma-Kampagne, medico international, Outras Palavras (Brasilien), People’s Health Movement und Society for International Development initiiert wurde und sich angesichts der COVID 19 Pandemie für globale Impfgerechtigkeit einsetzt.